Tonbeispiele

Hier können einige Werke in pythagoreischer und mitteltöniger Stimmung angehört werden.

Interpret: Hans Eugen Frischknecht

a) Pythagoreische Stimmung

Bei einer Orgel eine pythagoreische Stimmung anzubringen, ist insofern nicht sehr sinnvoll, als nur sehr wenig Orgelliteratur zu finden ist, welche für diese Stimmung komponiert ist. Nun sind bei der Stimmung Werckmeister 3 acht Quinten rein, vier temperiert. Die ältesten bekannten Werke, welche speziell für Tasteninstrumente komponiert wurden, sind Stücke aus dem Robertsbridge-Codex (ca. 1360). Zu dieser Zeit war die pythagoreische Stimmung im Gebrauch. Transponiert man bei Werckmeister 3 die Stücke aus dem Robertsbridge-Codex um einen halben Ton nach oben, sind die Quinten, auf denen die Stücke öfters stehen bleiben, schwebungsfrei.

Im 14. Jahrhundert wurden gelegentlich zweimanualige Orgeln gebaut. Auf dem einen Manual war der Prinzipal allein spielbar, auf dem anderen Prinzipal und Mixtur zusammen.

Beispiel 1:  Estampie aus dem Robertsbridge-Codex
Die Form dieses Stücks ist eine Art Rondeau. Der Refrain wird jedoch nicht als Ganzes wiederholt, sondern nur in verkürzter Form.

Orgel der reformierten Kirche Zollikofen (Schweiz), Neidhardt & Lhôte 1981,
Stimmung: Werkmeister 3, 2 Manuale und Pedal, 24 Register.
Registratur: Prinzipalchor mit Mixtur des Brustwerks
.

1_Robertsbridge_Codex_Estampie.mp3  
Beispiel 2:  Adesto aus dem Robertsbridge-Codex
Ein Cantus firmus bildet die Unterstimme, über den sich eine bewegte Linie in der Oberstimme befindet.

Orgel der reformierten Kirche Zollikofen (Schweiz), Neidhardt & Lhôte 1981,
Stimmung: Werckmeister 3, 2 Manuale und Pedal, 24 Register.
Registratur: Prinzipal des Brustwerks
.

2_Robertsbridge_Codex_Adesto.mp3  

b) Mitteltönige Stimmung

Bei der mitteltönigen Stimmung werden Terzen rein gestimmt. Hier ist die Anzahl der Orgelwerke, die für diese Stimmung komponiert wurden, beträchtlich.

Beispiel 3:  Ascendo ad patrem von Arnolt Schlick (um 1455 − 1525)
1520 wurde Karl V. in Aachen zu Kaiser gekrönt. Arnold Schlick komponierte für diese Krönungsfeier ein 10-stimmiges Orgelstück. 6 Stimmen werden im Manual gespielt, 4 Stimmen im Pedal („zu dem hab ich vff den chorgesang Ascendo ad patrem zu wegen brocht zehen stim, die man in organis spiln mag, vier stim in dem pedal vnd sechs in dem manual“).
Eine um eine Quinte nach unten bis zum F verlängerte Klaviatur erlaubt eine Interpretation mit zwei Spielern
(Interpreten: Hans Eugen Frischknecht und Linda Rickli).

Chororgel der Nydeggkirche Bern (Schweiz), Kuhn 1995, Stilkopie einer italienischen Barockorgel, mitteltönige Stimmung.
Registratur: Ripieno (Prinzipale 8’ bis 1/2’)
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3_Schlick_Ascendo_ad_patrem.mp3  
Beispiel 4:  Recercar cromatico von Girolamo Frescobaldi (1583 − 1643)
Bei der mitteltönigen Stimmung unterscheiden sich diatonische (z.B. d−es) und chromatische Halbtöne (z.B. es−e). Das Intervall eines diatonischen Halbtons beträgt ca. 3/5 eines Ganztons, das Intervall eines chromatischen Halbtons ca. 2/5 eines Ganztons. Die unterschiedlichen Grössen der Halbtöne führen dazu, dass sich eine chromatische Tonleiter bei der mitteltönigen Stimmung völlig anders anhört als eine solche bei der gleichstufigen Stimmung.

Chororgel der Nydeggkirche Bern (Schweiz), Kuhn 1995, Stilkopie einer italienischen Barockorgel, mitteltönige Stimmung.
Registratur: Prinzipal 8’ und Flöte 4’
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4_Frescobaldi_Recercar_cromatico.mp3  
Beispiel 5:  Paseo von Juan Cabanilles (1644 − 1712)
Ein tänzerischer Charakter im 3/2-Takt ist diesem Stück eigen.

Orgel der Abteilkirche St. Urban (Schweiz), Bossart 1721, mitteltönige Stimmung, 3 Manuale und Pedal, 40 Register.
Registratur: Weitchorregister 8’, 4’, 2’
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5_Cabanilles_Paseo.mp3  
Beispiel 6:  Tocata de quinto tono von Juan Cabanilles
Diese Toccata mit einem festlichen Charakter erinnert an Musik mit 2 Trompeten.

Orgel der Abteilkirche St. Urban (Schweiz), Bossart 1721, mitteltönige Stimmung, 3 Manuale und Pedal, 40 Register.
Registratur: Prinzipalplenum mit Mixtur und Trompete 8’
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6_Cabanilles_Tocata.mp3  
Beispiel 7:  4 Stücke für eine mitteltönige Stimmung, Stück 1 von Hans Eugen Frischknecht (∗ 1939)
Vielfach wurden bei mitteltönig gestimmten Orgeln Subsemitonien eingebaut, um die Möglichkeit zu schaffen, eine grössere Anzahl von Tonarten spielbar zu machen. Die Obertasten waren geteilt, z.B. ertönte beim vorderen Teil es, beim hinteren dis, oder beim vorderen gis, beim hinteren as. Bei diesen Subsemitonien sind die übermässigen Sekunden (z.B. c-dis) um einen Fünftel eines Ganztons enger als die kleinen Terzen (z.B. c-es).
Dieses Stück nutzt diesen Unterschied aus, indem sich die beiden leicht unterschiedlichen Intervalle folgen.

Chororgel der Nydeggkirche Bern (Schweiz), Kuhn 1995, Stilkopie einer italienischen Barockorgel, mitteltönige Stimmung.
Registratur: Flöten 4’, und 2 2/3’, im Bass Prinzipal 8’
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7_Frischknecht_4_Stücke_mitteltönig_1.mp3  
Beispiel 8:  4 Stücke für eine mitteltönige Stimmung, Stück 2 von Hans Eugen Frischknecht
Dieses Stück besteht aus schwirrenden Klängen, wobei sowohl die Subsemitonien dis und es sowie gis und as gebraucht werden. Den Abschluss bildet ein 1/5-Ton-Triller mit dis und es.

Chororgel der Nydeggkirche Bern (Schweiz), Kuhn 1995, Stilkopie einer italienischen Barockorgel, mitteltönige Stimmung.
Registratur: Oktave 4’, Flöte 4’
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8_Frischknecht_4_Stücke_mitteltönig_2.mp3  

 
 
H. E. Frischknecht (2020)
Online-Version: J. Schmid (2021)